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DISPUT

Die neue feministische Welle

Vom Frauenstreik am 8. März zu einer neuen feministischen Klassenbewegung, die fundamentale Kritik am Kapitalismus übt

VON BIANCA THEIS

Berlin. Es ist 5 vor 12 Uhr und es schüttet wie aus Eimern. An der Charité versammeln sich Frauen und Männer, sie setzen sich auf Stühle, halten Transparente in die Höhe mit der Aufschrift »Unsere Arbeit ist mehr wert«. Heute ist der 8. März und es ist Internationaler Frauentag – oder besser: Frauenkampftag, denn der Weg zur Gleichberechtigung war schon immer ein Kampf und ein Blick in den Himmel lässt vermuten, dass der, der das Wetter macht, kein Feminist ist. Trotz des Regens nutzen viele Empörte diesen Tag, um vor dem größten Krankenhaus Berlins für bessere Arbeitsbedingungen in der Pfl ege zu streiken. Um 16 Uhr startet der LINKEBlock der jährlichen Frauenkampftagsdemo am Alexanderplatz. Der Regen hat aufgehört, die Sonne scheint über den großen Platz und die versammelte Menge ist in bester Laune. Auch im LINKE-Block ist die Stimmung voll kämpferischer, feministischer Energie. Frauen, Queers und solidarische Männer tanzen, halten Plakate, wie »Mehr Zeit für das ganze Leben « und rufen »My body, my choice, let's make noise« (Mein Körper, meine Entscheidung, lasst uns laut sein). Einige haben ein Kreuz auf der Wange, das symbolisch für den Kampf um sexuelle Selbstbestimmung steht. Als Parteivorstandsmitglied Friederike Benda verkündet, dass gerade 25.000 Menschen auf der Demo sind, jubelt die Masse. Um 17 Uhr wird es plötzlich still, alle Frauen holen noch einmal tief Luft und brüllen dann für 100 Sekunden ihre gesamte Wut in die Welt hinaus. Nicht nur in Berlin, auch in Hamburg, Leipzig, Frankfurt am Main, Köln, Freiburg, Kiel und anderen Städten nutzen viele Menschen diesen Tag, um für eine Veränderung der Geschlechterverhältnisse auf die Straße zu gehen. Dass der 8. März dieses Jahr so erfolgreich war, lag vor allem an einer neuen Dynamik der Mobilisierung. Für diesen Frauenkampftag gab es zum ersten Mal nach 25 Jahren auch einen Aufruf zum Streik. Dafür wurde in den vergangenen Monaten ein Frauenstreikbündnis gegründet, das über 35 Ortsgruppen verbindet. Unzählige Komitees und Netzwerke sind entstanden, die sich alle auf unterschiedliche Weise für den Streik vorbereiteten. So konnte lange vor dem Frauenkampftag eine breitere Öffentlichkeit für feministische Themen begeistert werden. Auch auf inhaltlicher Ebene bot der Aufruf zum Streik das geeignete Kampfmittel, um feministische Forderungen wieder stärker mit der Kritik kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse zu verknüpfen, wie unter anderem der Charité-Streik zeigt. Gerade die Diskussion über unbezahlte Hausarbeit, die überwiegend von Frauen gemacht wird, zeigt, dass über feministische Themen eine allgemeine Kritik kapitalistischer Produktionsund Reproduktionsweisen funktionieren kann. Aber auch andere Frauenthemen, wie die Forderung nach einer Entkriminalisierung von Abtreibung, können genutzt werden, um Herrschaftsverhältnisse zu hinterfragen. Vorbilder sind die spanischen und südamerikanischen Protestbewegungen, die auch in Deutschland den Wunsch nach einem verbindenden Frauen- und Queerstreik immer lauter werden ließen. Das zeigt, dass eine neue feministische Bewegung nicht nur die Möglichkeit bietet, anti-kapitalistische Kämpfe in Deutschland zu verbinden, sondern diese auch auf eine internationale Ebene bringen kann und dies auch tut. Auf diesen Erfolgen können wir aufbauen, wenn wir die Impulse nutzen und uns weiter vernetzen und organisieren.

Bianca Theis ist Mitarbeiterin des Bereichs Bürgerdialog, Medien und Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesgeschäftsstelle der LINKEN.

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