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LINKE unterstützt Aufruf „Die Corona-Krise muss Konsequenzen haben“

Der Geschäftsführende Parteivorstand DIE LINKE unterstützt den Aufruf „Die Corona-Krise muss Konsequenzen haben“ des Bündnisses Krankenhaus statt Fabrik. Darin wird führt das Bündnis aus, dass sich durch die Corona-Pandemie Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen zeigen, aus denen Konsequenzen gezogen werden müssen. „Das Ende der Coronakrise muss der Anfang einer grundsätzlichen Diskussion um die Ausrichtung des Gesundheitswesens in Deutschland sein.“ Das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik kritisiert scharf die Markt- und Gewinnorientierung der Krankenhäuser durch die Einführung von Fallpauschalen und fordert die Rückkehr zur Gesundheitsversorgung als Daseinsvorsorge. Das Fallpauschalen-System müsse abgeschafft, der Bettenabbau gestoppt, gesetzlich festgelegte Personalbedarfszahlen eingeführt und die Bezahlung aller Beschäftigten im Krankenhaus erhöht werden.

Der Beschluss und Aufruf im Wortlaut:

Beschluss 2020/075

Beschluss des Geschäftsführenden Parteivorstandes vom 27. April 2020

Der Geschäftsführende Parteivorstand unterstützt den Aufruf des Bündnisses Krankenhaus statt Fabrik:

Die Corona-Krise muss Konsequenzen haben

Angesichts der Corona-Pandemie werden Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen offensichtlich. Aus ihnen müssen Konsequenzen gezogen werden. Das Ende der Coronakrise muss der Anfang einer grundsätzlichen Diskussion um die Ausrichtung des Gesundheitswesens in Deutschland sein.

Die Lage

1. Seit 2004 werden die Krankenhäuser in Deutschland über Preise für die Behandlung jedes einzelnen Patienten (DRGs) bezahlt. Die Krankenhäuser wurden auf Effizienz getrimmt. Effizienz in einem Preissystem bedeutet, dass möglichst viele Patienten, die sich lohnen, mit möglichst wenig Personal und in möglichst kurzer Zeit behandelt werden. Ein solches Vergütungssystem ist inhuman gegenüber den Patienten. Sie werden unter Erlösaspekten ausgesucht („gute/schlechte Risiken“), aufgenommen und behandelt (immer mehr unnötige Eingriffe) und dann noch möglichst früh (ohne Berücksichtigung ihrer sozialen Lage) entlassen. Jetzt rächt sich diese Entwicklung und das ganze Finanzierungssystem und damit die Krankenhäuer selbst drohen zusammen zu brechen.

2. Ein solches Finanzierungssystem ist auch inhuman gegenüber den Beschäftigten, weil die Arbeitshetze systematisch immer mehr gesteigert wird. Insbesondere die Pflege und die Servicebereiche waren und sind hiervon betroffen. Viele sind ausgebrannt und/oder verlassen den Beruf. Die unverschämt niedrige Bezahlung tut ein Übriges. Vorgaben, wie viele Pflegekräfte zur Versorgung der Patienten vorgehalten werden müssen, wurden abgeschafft, weil sie nicht zum Preissystem der DRGs passten. Betten und Beatmungsgeräte lassen sich vielleicht schnell nachproduzieren, aber was ist mit den fehlenden Pflegekräften? Jetzt bezeichnet man sie als „systemrelevant“ und sucht händeringend nach ihnen.

3. Vorhaltung von Infrastruktur, z.B. für Notfälle und Epidemien, wird (bis auf minimale Ausnahmen) durch die DRGs nicht finanziert. Dementsprechend findet in den Krankenhäusern keine oder nur eine möglichst geringe Vorhaltung statt. Jetzt wird deutlich, dass dies zu gefährlichen Engpässen führt (Schutzmasken/-kleidung, Isolationsbetten, Überwachungs- und Beatmungsgeräte).

4. Erklärtes Ziel der Einführung der DRGs war es, die Krankenhäuser möglichst marktförmig umzugestalten und den Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander anzufachen. Markt und Wettbewerb statt Kooperation und Daseinsvorsorge. Jetzt erkennt man, dass es eigentlich darum geht, dass die Krankenhäuser gemeinsam handeln, sich absprechen und unterstützen.

5. Erklärtes Ziel war es auch durch das DRG-System möglichst viele Krankenhäuser zu schließen und massiv Betten abzubauen. Argument war, dass es im internationalen Vergleich viel zu viele Betten und Krankenhäuser gäbe. Es wurden zwar schon hunderte Krankenhäuser geschlossen und über 100.000 Betten abgebaut, den neoliberalen Thinktanks (Sachverständigenrat, Leopoldina, Bertelsmann, um nur einige zu nennen) war dies aber noch nicht genug. Jetzt ist Gesundheitsminister Spahn stolz auf die große Zahl von Betten in Deutschland („gut gerüstet“) und der angeblich schlimmste Nachteil wird nun zu Deutschlands größtem Vorteil

6. Eine weitere Folge der Finanzierung über Preise ist der ungeheure bürokratische Aufwand, der betrieben werden muss, um Preise zu berechnen, Leistungen unter Kostengesichtspunkten zu dokumentieren, sie möglichst profitabel abzurechnen, von Seiten der Krankenkassen alles zu kontrollieren und in Zweifel zu ziehen. Dies hat zu einem wahren Abrechnungskrieg zwischen Kassen und Krankenhäusern geführt, in dem immer weiter aufgerüstet wird. Jetzt wird deutlich, dass man sich eine solche Ressourcenverschwendung eigentlich überhaupt nicht leisten kann, wenn es um die gute Versorgung der Bevölkerung geht.

7. Private Krankenhausgesellschaften betreiben inzwischen mehr Krankenhäuser als die öffentliche Hand. Ihr Geschäftsmodell ist Gewinnerzielung und sie müssen ggf. ja auch noch ihre Aktionäre bedienen, so dass Versichertenbeiträge direkt in deren Taschen wandern. Grundsätzlich haben Profitstreben und Gewinnmaximierung nichts in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verloren. Jetzt wird klar, wenn die privaten Krankenhäuser nicht zumindest unter Aufsicht des Staates gestellt werden, wie es in einigen anderen Ländern (Spanien, Frankreich, Finnland) schon der Fall ist, gibt es keine Durchgriffsmöglichkeit, damit diese Krankenhäuser ihre Pflicht gegenüber der Gesellschaft in dieser Krise erfüllen.

 

Unsere Forderungen

1. Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge. Markt und Wettbewerb, Preise (DRGs) und Gewinne haben in ihr nichts verloren. Das DRG-System muss abgeschafft werden. Es müssen - in einem einfachen und bürokratiearmen Verfahren - die tatsächlich entstandenen Kosten (inkl. Vorhaltekosten) finanziert werden (Selbstkostendeckung). Gewinne müssen verboten werden. Die wirtschaftliche Verwendung der Gelder muss überprüfbar sein.

2. Ein weiterer Bettenabbau unter finanziellen Vorzeichen darf nicht stattfinden. Die notwendige Zahl und Größe von Krankenhäusern und deren Kooperation (Aufgabenverteilung), die Zahl der Fachabteilungen und Intensiv-/Betten müssen durch eine Bedarfsplanung der Länder unter demokratischer Beteiligung der Bürger und Beschäftigten ermittelt und umgesetzt werden. Sie muss an Versorgungsregionen und Erreichbarkeit (Flächendeckung), sowie demografischen und Morbiditätsfaktoren ausgerichtet sein. Dabei haben öffentliche Einrichtungen Vorrang.

3. Für alle Berufsgruppen im Krankenhaus müssen verbindliche (gesetzlich festgelegte) Personalbedarfszahlen wissenschaftlich ermittelt und durchgesetzt werden.

4. Die Vergütung der Pflege, der Assistenzberufe und der Servicebereiche muss deutlich erhöht werden.

5. Wenn Gewinnmöglichkeiten entfallen, wird sich das Problem der privaten Klinikbetreiber vermutlich schnell selbst erledigen. Darüber hinaus ist zu prüfen, wie die Gesundheitsversorgung als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wieder direkt in die Hände der Gebietskörperschaften gelegt werden kann.

 

Bündnis Krankenhaus statt Fabrik

V.i.S.d.P. Dr. Nadja Rakowitz

Mobil: 0172 – 185 8023

info@krankenhaus-statt-fabrik.de

www.krankenhaus-statt-fabrik.de

 

21.04.2020

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